Orfeo C 464 972 I
2 CD • 1h 59min • 1977
01.06.1998
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Schon mehr als ein Dutzend Aufführungen des Münchner Prinzregenten- und Nationaltheaters aus der Zeit 1950–1983 hat Orfeo in seiner verdienstvollen Reihe „Bayerische Staatsoper Live“ publiziert. Nachdem zunächst Wagner und Richard Strauss im Vordergrund standen, musikalisch verantwortet von den Münchner Generalmusikdirektoren Knappertsbusch, Kempe, Keilberth und Sawallisch, liegt mit Massenets Werther nun erstmals eine französische Oper vor.
Dieser Münchner Erstaufführung – 85 Jahre nach der Wiener Uraufführung! – sollte der Startenor Plácido Domingo als Titelheld zu besonderem vokalen Glanz verhelfen – ein Wunsch, der nur bedingt in Erfüllung gegangen ist. Domingo ist zwar durchweg bemüht, dem besonderen Charakter dieses vom Komponisten nachdrücklich als drame lyrique bezeichneten Werks gerecht zu werden, gestaltet gefühlvoll und um piano-Kultur ringend. Doch in der gesanglichen Verwirklichung dieses Vorhabens kommt der Tenor meist nicht über Absichtserklärungen hinaus – statt einwandfreier, gestützter, tragfähiger piano-Töne ist dilettantisches Falsett zu hören (CD 1, Tr. 10, 13, CD 2 Tr. 2, 5), die hohen B’s sind mit letztem Kraftaufwand erkämpft, klingen eng, angestrengt und glanzlos. Umso beeindruckender dagegen die damals 38jährige Brigitte Fassbaender, die ein höchst eindringliches Porträt der Charlotte zeichnet, das dem ihrer späteren Studioaufnahme von 1985 (Supraphon, nicht auf CD erhältlich) an Emotionalität und Dramatik überlegen ist. Vor allem in ihrer großen Szene des dritten Aktes wird sie der Premierenkritik von Karl Schumann gerecht, der sie als „singende Tragödin“ rühmte. Mit Marianne Seibel als jugendlich-hell timbrierter, aber etwas temperamentsloser Sophie und Hans Günter Nöcker als hölzernem, unattraktivem Albert ist in den beiden anderen Hauptpartien allenfalls gesanglicher Durchschnitt aufgeboten.
Jesus Lopez-Cobos am Pult ist ein überaus sensibler Anwalt dieser delikaten, fragilen Musik, die – wie der Werther der französischen Erstaufführung, Guillaume Ibos, betonte – „ganz aus Gefühl gewoben ist“.
Kurt Malisch † [01.06.1998]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Jules Massenet | ||
1 | Werther (Lyrisches Drama in vier Akten) |
Interpreten der Einspielung
- Marianne Seibel (Sopran)
- Brigitte Fassbaender (Mezzosopran)
- Plácido Domingo (Tenor)
- Hans Günther Nöcker (Bariton)
- Chor der Bayerischen Staatsoper (Chor)
- Orchester der Bayerischen Staatsoper (Orchester)
- Jesús López Cobos (Dirigent)