Arthaus Musik 100 206
1 DVD-Video • 2h 46min • 1992
01.11.2001
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Wie so oft in der musikphilologischen Grauzone der erkenntnispraktischen Wiederholung wird auch hier - man lese den Begleittext - von Rossini als einem Rückzügler geschrieben, der sich "in der Mitte seines Lebens aus dem öffentlichen Leben zurückzog und nur noch für den Eigengebrauch in seinem Pariser Salon komponierte". Natürlich sind die netten, aber in vielen Aspekten auch kühnen Klavierstücke (etwa in Nachbarschaft zu Alkan!) dem häuslichen Gebrauch zugedacht gewesen, aber vergessen wird von den entsprechenden Biographen, daß sich Rossini nach dem Wilhelm Tell der Kirchenmusik und der vokalen Kammermusik verpflichtet fühlte, gar nicht groß zu reden und zu schwärmen von einer anspruchsvollen Arbeit wie der Kantate Giovanna d'Arco. Der depressive, kränkelnde Rossini hatte es also in seiner Spätphase nicht nur mit Salonstücken zu tun - und schon gar nicht allein mit der Verfassung von Kochrezepten! -, sondern mit engagierten kompositorischen Projekten.
Doch nun zum eigentlichen Thema, denn es handelt sich um die günstige Gelegenheit, von einer stimmlich wie inszenatorisch gelungenen, kurzweiligen, also rundherum sehens- und hörenswerten Rossini-Verfilmung zu berichten. Tancredi ist Rossinis erste große Opera seria, nur wenige Monate vor der Italienierin in Algier entstanden, seinerzeit (Uraufführung 1813 in Venedig) ein großer Erfolg, in unserem Jahrhundert unter der Leitung von Tullio Serafin 1952 in Mailand mit Giuletta Simionato wieder auf Kurs gebracht, letzten Endes aber erst durch die virtuose Mezzo-Kultur von Marilyn Horne im Bewußtsein der Opernfreunde verankert. In der von der Regie und vom Bühnenbild (Pier Luigi Pizzi) her konservativen, aber gerade deswegen wertgesicherten Stuttgarter/Mailänder Co-Produktion für die Schwetzinger Festspiele 1992 ist zwar keine Marilyn Horne mit urigen Brustlauten zu erspähen, aber es wird äußerst wendig und sonor, vor allem aber sinngemäß (nämlich dem Text und der jeweiligen dramatischen Situation entsprechend) gesungen. Und nach den gar nicht so steifen Regeln der ernsten Oper auch gespielt! Rossinis Musik ist bei Gianluigi Gelmetti in besten Händen, es glitzert und pulsiert, ohne je ins rein Motorische und Akrobatische abzugleiten. Die Bilder sind organisch aneinandergefügt im Wechsel von Totale und mimischer Spurensuche. Ein Vergnügen also insgesamt mit hohem Instruktionswert für all jene, die sich vom frühen, unbekannteren Rossini nicht allzu viel erwarten und auf diesem Wege eines wirklich Besseren belehrt werden. Vergnüglich und instruktiv auch die Zugabe, in deren kurzem Verlauf das Ensemble Rossinis positive, glückhafte Variante des Schlusses zum tatsächlich Besten gibt. Etwas irritierend: im Gegensatz zur Cover-Ankündigung Maria Bayo als Amenaide wird im Beiheft Maria Raul genannt.
Peter Cossé † [01.11.2001]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Gioachino Rossini | ||
1 | Tancredi (Melodram in zwei Akten) |
Interpreten der Einspielung
- Bernadette Manca di Nissa (Alt)
- Maria Pia Piscitelli (Sopran)
- Katarzyna Bak (Mezzosopran)
- Chor des Südfunk Stuttgart (Chor)
- María Bayo (Sopran)
- Raul Giménez (Tenor)
- Ildebrando d' Arcangelo (Baß)
- Radio-Sinfonieorchester Stuttgart (Orchester)
- Gianluigi Gelmetti (Dirigent)